SCHROEDERS Turm

Nun ist er endlich erschienen, mein erster Roman. Nach fast 10 Monaten Arbeit liegt das Buch nun bei  allen einschlägigen Händlern zum Verkauf bereit.

Schroeders Turm ist ein Mix aus SF und Kriminalroman.

Die Menschen haben sich in gigantische Wohntürme zurück gezogen. Diese Wohnpyramiden wurden mit Hilfe von notgelandeten Aliens errichtet und bieten den letzten Menschen nun ein Heim. Die Natur spielt verrückt. Saurer Regen, Vulkanausbrüche mit riesigen Aschewolken und Erdbeben sind immer gegenwärtig. Kein Ort um draußen zu bleiben. Allein die Sammlerteams fahren mit Ihren Spezialfahrzeugen draußen herum, immer auf der Suche nach Rohstoffen für das Überleben drinnen.

Die Hauptfigur - Orion Schroeder - arbeitet beim Sicherheitsdienst. Normalerweise passiert eigentlich wenig Aufregendes, aber plötzlich verschwinden Personen und keiner versteht wie.

Nun ist die Spürnase von Schroeder und seinem Mitarbeiter Hyroniemus Fritsche gefragt, um die Verschwundenen wieder zu finden. Was er und Fritsche da erlebt und ans Tageslicht bringt, ist schon ziemlich abgefahren.

Eine kleine Leseprobe findet Ihr im Anschluß.

Viel Spaß beim Lesen und vielleicht habt Ihr ja danach Bock auf das ganze Buch. Ich würde mich freuen!!!

 

Schroeders Turm

Erschienen 7.7.2016

Engelsdorfer Verlag

ISBN 978-3-96008-405-1

 

 

I
Lysozym

 

Vorher

Irgendwo im Universum

Strahlend hell ging die grüne Sonne von Sator am Himmel auf. Zaghaft tasteten sich ihre wärmenden Strahlenfinger über die Ebene. Zahllose Blu­men öffneten ihre Blütenkelche und ebenso viele Bäume drehten ihre Blätter ins Licht, um sich an den Photonen zu laben.

Re’Sa Mork war unterwegs zur Arbeit. Als Hyperphysiker war er einer der Auserwählten, die am Experimentalschiff arbeiteten. Es sollte einen neuen Antrieb bekommen, der es den Sator’ri ermöglichte, zwischen den Dimensionen durch das Universum zu reisen. Bisher betrieben die Sator’ri nur unterlichtschnelle Raumfahrt innerhalb ihres Sonnensystems. Aber das würde sich bald ändern, das neue Schiff war fertiggestellt und sollte heute seinen ersten Probeflug absolvieren. Es war ein großer Tag im Leben der Sator’ri und er, Re’Sa Mork, war mit dabei.

Er erreichte mit seinem Schweber den Raumhafen, auf dem schon von Weitem der silberglänzende Leib des Schiffes zu sehen war. Majestätisch erhob sich der Diskus über dem Betonplast der Landefläche und strahlte im Sonnenlicht. Voller Vorfreude landete Re’Sa Mork seinen Schweber und begab sich auf das Transportband, welches ihn in Richtung Schiff beförderte. Mit sich und der Welt zufrieden verließ er das Band und strebte dem Schiff zu. Er ließ seinen Blick über den Rumpf des Raumschiffes gleiten und seine großen grünen Augen strahlten vor Stolz.

Die Nacht brach über Sator herein. Die Nacht? Re’sa Mork hob seinen Blick zum Himmel und er erstarrte förmlich. Ein gigantisches Etwas schob sich vor die Sonnenscheibe und verdunkelte den Himmel.

Was ist das denn?, dachte er.

War es doch wahr, was andere Völker berichteten?

Die Sage ging von einer schrecklichen Plage des Universums. Sie nannten sich „Die rastlosen Jünger des Nekros“ und wurden von den Völkern dieser Galaxis Nekronauten genannt – Reisende des Todes. Man sagte, sie würden Tod und Verderben über ganze Sonnensysteme bringen. Aber nie­mand hatte je daran geglaubt, dass diese Geschichte wahr sein könnte, und seit Generation herrschte Frieden in der Galaxis.

Das riesige Gebilde entpuppte sich als gigantisches Mutterschiff, denn es spie nun Unmengen an kleineren Schiffen aus, die direkt Kurs auf Sator nahmen. Und dann begannen die Nekronauten ihr tödliches Feuerwerk. Mächtige Blitze stachen aus dem Mutterschiff und verbrannten alles, was sie trafen, zu Asche. Ihre gnadenlosen Strahlen zogen glühende Narben in den Boden von Sator. Innerhalb von Minuten fielen ihnen zahllose Städte zum Opfer, und unentwegt regneten die Beiboote der Nekronauten auf Sator herab. Seltsame Gestalten in kuttenartigen Anzügen stürmten aus den kleinen Schiffen und hielten eine blutige Ernte unter den Bewohnern. Wer nicht unter ihren Sonnenwerfern verdampfte, wurde gefangengenom­men und scharenweise brachte man die Sator’ri zum Mutterschiff. Das war der Untergang!

Re’Sa Mork war starr vor Entsetzen, schließlich löste er sich, stürmte zum Schiff, das noch unbehelligt auf dem Landefeld stand. Er fuhr auf schnellstem Weg in die Zentrale und leitete mit seinen Kollegen den sofortigen Notstart ein. Zum Glück befand sich schon die gesamte Besatzung, bis auf wenige Ausnahmen, an Bord. Hektik erfüllte die Zentrale, Befehle wurden gebrüllt und unverzüglich alle Arbeitsstationen besetzt. Das Schiff erwachte zum Leben und summend sprangen die Triebwerke an. Während draußen die Welt unterging, erhob sich der mächtige Diskus langsam in die Höhe und gewann an Geschwindigkeit. Mit immer höherem Tempo strebte das Schiff von Sator weg, bemüht, nicht von den Todesstrahlen des Nekronautenschiffes getroffen zu werden.

Auf dem Planeten wüteten die Jünger des Nekros, vernichteten Stadt um Stadt und trieben immer mehr gefangene Sator’ri zu den Beibooten.

Das Raumschiff der Sator’ri wurde immer schneller und schneller.

Re’Sa Mork rief quer durch die Zentrale dem Maschineningenieur zu:

„Wie lange noch, bis wir das Triebwerk starten können?“

„Noch 17 Quels, bis wir die nötige Geschwindigkeit erreicht haben!“

„Das wird knapp, sie haben das Schiff entdeckt! Mehrere Boote fliegen in unsere Richtung!“

„12 Quels!“

Die Beiboote der Nekronauten näherten sich schon gefährlich dem Diskus und feuerten aus allen Rohren. Zum Glück war der Abstand noch zu groß, um den Diskus ernstlich zu gefährden.

„5 Quels!“

„Verdammt, wir müssen es schaffen, sonst sind wir genau so tot wie unsere Landsleute.“

„2 Quels!“

„1 Quel!“

„Sprung!“

Es schien, als würde der Diskus sich auflösen. Als vager Schemen raste das Schiff durch den Raum und verschwand in einem Lichtblitz aus unserer Wahrnehmung und aus der Zielerfassung der Nekronautenbeiboote. Diese hatten unablässig auf ihn gefeuert, aber ob sie doch noch getroffen hatten, bevor er in andere Dimensionen geflüchtet war, war nicht sicher.

Der Tod hatte eine reiche Ernte auf Sator eingefahren. Unzählige waren ihm zum Opfer gefallen und ebenso viele zum Mutterschiff der Nekronauten gebracht worden. Dort hatten aber auch sie bald ihr Leben im Vital­extraktor ausgehaucht. Ihre Vitalenergie sicherte den Jüngern des Nekros das Überleben. Sie badeten förmlich darin und erneuerten ihre Körper. Wenn die Speicher sich wieder geleert hatten, würden sie sich erneut auf die Suche nach einem geeigneten Planeten machen müssen, um diesen und seinen Bewohnern die Lebensenergie zu rauben.

Die Beiboote zogen sich zurück zum Mutterschiff, schleusten ein und der gigantische Todesbringer nahm langsam Fahrt auf in die Tiefen des Universums, um irgendwann und irgendwo wieder Tod und Verderben über einem Planeten zu verbreiten.

 

Zeitsprung

2056     Blutige Revolten der Jugend wegen Überalterung der Gesellschaft nach dem Zusammenbruch des Sozialsystems.

 

2103     Erdöl- und Gasvorkommen sind verbraucht – die arabischen Staaten stehen vor dem Aus. Russlands Reserven sind am Ende und sogar Nordamerika leidet unter der Rohstoffknappheit.

 

2104     Die Energiegewinnung muss umgestellt werden. Wind, Wasser und Sonne sind die neuen Energiespender.

 

2207     Erstkontakt mit den Sator’ri – einer humanoiden Lebensform aus Andro­meda – die mit ihrem havarierten Schiff in der Nähe von Düsseldorf notgelandet sind.

 

2212     Der Klimawandel ist in vollem Gange, unzählige Menschen fallen ihm zum Opfer.

 

2235     Baubeginn der ersten Turmstädte in Europa und Nordamerika.

 

2277     Immer mehr der gigantischen Megatürme sind entstanden und bieten Heim, Arbeit und Erholung für Millionen von Menschen, die sich langsam aber sicher in den Schutz dieser Behausungen zurückziehen.

 

2298     Eine ökologische Katastrophe bahnt sich an, die Umweltverschmutzung fordert ihren Preis. Der Meeresspiegel steigt und viele Teile der Erde sind nicht mehr erreichbar.

 

2301     Der erste saure Regen fällt, Erdbeben und Vulkanausbrüche sind an der Tagesordnung. Durch die Asche in der Luft ist der Aufenthalt im Freien sehr riskant.

 

2302     Die Turmphobie rafft Hunderte dahin, kann aber gestoppt werden.

 

Vorwort

Wir schreiben das Jahr 2308 und die Welt ist anders, als wir sie kannten. Die Menschen, die überlebt haben, leben in gigantischen Wohnpyramiden – Türme genannt.

Gebaut wurden diese von Menschen und den Sator’ri gemeinsam, wobei den Sator’ri der größte Anteil an diesen Projekten zuzuschreiben ist.

Die Sator’ri sind wahre Meister der Baukunst und nur ihnen ist es zu verdanken, dass die Menschheit einen sicheren Unterschlupf vor der nunmehr re­voltierenden Natur gefunden hat. Ihre überragenden Fähigkeiten in Statik und Betonlegierungen waren der Grundstein, um die riesigen Türme überhaupt bauen zu können.

Ein Turm ist etwa drei Kilometer hoch und in ihm vereinigen sich Wohnen, Arbeiten und auch Freizeit miteinander. Selbst die Nahrung wird dort produziert: Obst und Gemüse in den Hydroponikgärten, Fleisch in den Zuchtanlagen. Sogar Fabriken sind in den Türmen zu finden, Schulen, Kindergärten, Unis – die Türme sind wie eine ganze Stadt, nur in die Höhe gebaut.

Ins Freie geht niemand mehr aus Angst vor dem sauren Regen und der sehr schlechten Luft.

Die Sator’ri haben sich ein Habitat außerhalb des Turmes gebaut, in dessen Nähe ihr Raumschiff steht, und leben mehr oder weniger zurückgezogen, um ihr 2207 havariertes Raumschiff instand zu setzen und eines Tages in ihre Heimat nach Andromeda zurückzukehren. Nur eine Etage des Turmes haben sie für sich in Anspruch genommen.

Die Sator’ri sind menschenähnliche Geschöpfe aus den Tiefen der Galaxis Andromeda. Der augenscheinliche Unterschied zu uns Menschen ist ihr Aussehen: ihre großen grünen Augen, ihr zahnloser Mund und ihre fehlende Körperbehaarung.

Ihr Schiff liegt in der Nähe des ehemaligen Düsseldorf, etwa einen Kilometer entfernt von Turm 17.

Es ist eigentlich ein ruhiges Leben, was die Menschen führen. Geld existiert nicht mehr, jeder hat seinen festen Platz in der Gemeinschaft, verrichtet seine Arbeit und bekommt alles, was er zum Leben so braucht.

Aber irgendwas stimmt trotzdem nicht …

 

Vorspiel

Allysia Lehmann kroch durch den Rohrschacht und schaute dabei konzentriert auf ihren Scanner.

Bis jetzt alles okay, dachte sie. Na ja, eigentlich wie immer.

Seit sie nach ihrer Ausbildung den Job beim Wartungsdienst angetreten hatte, war noch nie ein Fehler in den Rohrleitungen aufgetreten.

Also, weiter.

Sie wischte sich mit dem Handrücken etwas Schweiß von der Stirn, als sie das Schaben hinter sich hörte. Als würde ein Käfer über Glas krabbeln und mit seinen Beinen Kratzer in die Oberfläche ritzen. Doch sie konnte nichts hinter sich entdecken, der Schacht war bis auf sie leer.

Na, hab ich mir wohl eingebildet.

Meter für Meter arbeitete sie sich an den Rohrleitungen entlang und kontrollierte deren Zustand auf ihrem Scanner. Vielleicht würde sie nach ihrer Schicht mal wieder ausgehen und sich mit Freunden treffen. Und vielleicht wäre dann auch mal ein netter Typ dabei.

Da, schon wieder!

Da war wieder dieses Schaben und Kratzen, aber der Schacht war leer. Litt sie an Halluzinationen oder war ihr nur zu heiß und die abgestandene Luft im Schacht machte ihr was vor?

Werd doch nicht bekloppt, Allysia, dachte sie und widmete sich wieder ihrer Arbeit.

Schon wieder musste sie sich den Schweiß von der Stirn wischen, der ihr plötzlich in Strömen übers Gesicht rann. Sie bekam nun ernstliche Probleme, etwas auf ihrem Scanner zu erkennen, da ihr der Schweiß in die Augen floss. Sie wischte wieder und wieder über ihre Stirn und übers Gesicht, aber der Schweiß hörte nicht auf zu fließen. Zudem wurde ihr nun auch noch schwindelig und die Luft wurde knapp.

Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Schachtwand und versuchte tief durchzuatmen. Es wurde ihr aber nicht besser, sie rang nach Luft, sie schwitze wie ein Schwein und langsam begannen sich ihre Gedanken zu verwirren.

Oh, Mist, ich falle in Ohnmacht, waren ihre letzten Gedanken, bevor sie sanft und leicht wie eine Feder in die Dunkelheit schwebte.

 

Martha Blumenzweig liebte den Geruch von frisch gewaschener Wäsche.

Deshalb hatte sie den Job in der Turmwäscherei angenommen, obwohl sie sich mit ihrem Abschluss etwas Besseres hätte aussuchen können.

Heute arbeitete sie an der Heißmangel, etwas abseits der anderen Waschautomaten. Es war heiß und die Luft war schwer vom Wasserdampf, ihre Kolleginnen sah sie nur leicht verschwommen durch diesen Dunst. Sie legte Wäschestück für Wäschestück auf das Förderband der Mangel und hing ihren Gedanken nach. Eigentlich könnte sie mal wieder ins Schwimmbad gehen oder durch den Tierpark von Turm 17 schlendern.

Plötzlich vernahm sie ein Kratzen und Klappern neben sich hinter der Lüftungsklappe an der Wand.

Ist wohl locker, dachte sie und legte einen Stapel Wäsche auf das Förderband.

Da kratzte erneut etwas von innen an der Lüftungsklappe.

Vielleicht hat sich da ein Tier rein verirrt?

Sie unterbrach ihre Arbeit und schaute sich die Klappe genauer an. Sie war unten nicht verriegelt und Martha konnte sie ganz leicht nach oben klappen. Sie spähte hinein, aber es war kein Tier zu sehen.

Vielleicht hat es sich erschreckt und ist tiefer in den Schacht gekrochen.

Da es ziemlich dunkel im Schacht war, beugte sie sich leicht vor und steckte ihren Oberkörper hinein.

Urplötzlich überkam sie ein Gefühl von Schwindel und Übelkeit.

Hups, was ist jetzt mit mir los?

Sie stützte sich mit beiden Händen an der Wand ab und wollte gerade ihren Kopf aus dem Klimaschacht ziehen, als sie förmlich erstarrte. Ihr ganzer Körper schien eingefroren und sie konnte keinen Muskel mehr rühren.

He, was soll das denn jetzt!!, dachte sie noch, aber da fielen ihr schon die Augen zu und sie stürzte in eine bodenlose Finsternis.

 

Melany Mandel schloss die Verkleidung des Generators und wischte sich das Öl mit einem Lappen von den Händen. Seit mehreren Stunden hatte sie hart gearbeitet, um das Getriebe des Generators wieder in Gang zu setzen, denn jeder Generator war wichtig für den Turm, schließlich brauchten sie alle Energie. Und hier oben wurde die Energie für den Turm gewonnen – mittels Windflügeln, die außen in der Fassade saßen.

Sie setzte sich auf den Boden und holte sich eine Flasche Wasser aus ihrem Werkzeugkoffer, schraubte diese auf und trank in langen Schlucken. Sie fühlte sich ganz schön geschlaucht von der Arbeit, aber auch zufrieden, dass sie diesen Auftrag erledigt hatte.

Mal schauen, vielleicht gönne ich mir heute was Besonderes, dachte sie.

Möglichkeiten zur Entspannung gab es im Turm genug, ob Kino, Theater oder Museum der Vorzeit. Sie würde sich heute auf jeden Fall belohnen. Sie hatte sogar noch einen Scheck für einen Restaurantbesuch. Dort gab es echtes Fleisch, richtigen Fisch, frisches Gemüse und Obst. Das wäre dann mal was anderes als immer nur diese Nahrungsriegel, von denen die Bevölkerung des Turmes sich normalerweise ernährte.

Als sie die leere Wasserflasche zurück in ihre Kiste packen wollte, hörte sie das Geräusch zum ersten Mal. So als würde Metall aufeinander schleifen. Sie ging um den Generator herum, aber er lief rund und fast lautlos. Das Geräusch kam von weiter hinten in der Generatorhalle. So ging sie zum nächsten Anlagenblock und weiter zum übernächsten, aber die Generatoren liefen ohne Mängel.

Da hörte sie das Geräusch erneut, aber weiter hinten, schon fast am Ende der Halle, am letzten Geräteblock. Seltsamerweise lief auch dieser Generator reibungslos. Das Kratzen schien aus dem Klimaschacht dahinter zu kommen.

Sie näherte sich der Klappe, doch plötzlich wurde ihr schwarz vor den Augen und sie fiel auf Hände und Knie.

Was ist das denn?, dachte sie und wollte sich gerade aufrichten, aber dazu hatte sie keine Kraft mehr. Schwer nach Atem ringend legte sie sich auf den Rücken und blieb erst einmal keuchend so liegen.

Mist, hab ich mir was eingefangen oder was?

Sie rollte sich herum und versuchte erneut, auf die Beine zu kommen. Langsam stemmte sie sich in die Höhe und stand nun doch endlich, zwar etwas wackelig, auf ihren Beinen. Ihr lief der Schweiß in Strömen über den Körper und ihr war noch immer etwas flau. Die Generatorhalle verschwamm langsam vor ihren Augen und sie hatte das Gefühl, als würde ihre gesamte Wahrnehmung nachlassen. Hören konnte sie nun auch nichts mehr und auch nichts riechen, obwohl es hier doch nach Öl und heißen Maschine duften sollte.

Was ist denn los mit mir, verdammt?!

Da senkte sich eine wohltuende Schwärze über ihr Bewusstsein.

 

Sören Maibach biss die Zähne zusammen und machte noch einen Klimmzug.

Nur noch zwei, dann hast du es geschafft!

In drei Wochen fanden die jährlichen Wettspiele im Turm statt und er wollte endlich mal als Sieger daraus hervorgehen. Zweimal schon war er von Alex Winter geschlagen worden, aber diesmal sollte es anders sein. Diesmal würde er gewinnen und die Schönheiten des Turmes würden ihm zu Füßen liegen.

Er zog mit aller Kraft sein Kinn bis über die Stange.

Gleich hab ich es!

Zum letzten Mal quälte er seine Oberarmmuskeln, presste ihnen das allerletzte Quäntchen Kraft heraus und machte seinen einhundertsten Klimmzug.

Yeah, geschafft!!!

Er griff sich sein Handtuch von der Bank, wischte sich über die Stirn und schlenderte in Richtung Umkleiden davon.

Heute ist ja gar nichts los, dachte er. Na, kann ich in Ruhe duschen.

Er öffnete seinen Spind und begann seine Trainingssachen auszuziehen. Dann nahm er sein Duschzeug und ging in den Waschraum. Er suchte sich eine Dusche aus und stellte sie schön warm ein, um seine strapazierten Muskeln aufzuwärmen.

Ah, das tut gut.

Er seifte sich von Kopf bis Fuß ein und verteilte den Schaum über den ganzen Körper.

Da schepperte etwas im Duschraum und er zuckte zusammen.

Was war das denn???

Er spülte sich den Schaum ab und beugte sich aus der Dusche. Da schepperte es schon wieder. Es schien vom Lüftungsschacht des Duschraumes zu kommen. Langsam näherte er sich der Wand, als das Ding erneut geräuschvoll klapperte. Er beugte sich nach vorn, um die Klappe genauer zu betrachten, da lief ihm übriggebliebener Schaum in die Augen.

Verdammt noch mal!

Sören wischte sich mit der Hand über die Augen, um wieder klar sehen zu können, aber seine Augen brannten wie Feuer. Plötzlich wurde ihm auch noch übel und er musste sich übergeben. Da er kaum noch etwas sah, trat er anschließend prompt in seine eigene Kotze, rutschte aus und knallte auf den Boden. Sein Kopf schlug gegen die Fliesen … und danach war nichts mehr.

 

Kapitel 1

Auf den ersten Blick wirkte der Raum recht düster, doch wenn man genauer hinschaute, sah man, dass das Zimmer mit Stilgefühl eingerichtet worden war. Na, von einem Zimmer konnte man wohl schlecht sprechen – Büro bleibt Büro. Wie im gesamten Turm gab es auch hier keine Fenster – der Regen verätzte ohnehin die Scheiben und das Elend da draußen wollte doch niemand sehen.

Es war das Büro von Orion Schroeder, seines Zeichens Criminal Commisär des Sicherheitsdienstes von Turm 17.

Alles in allem schien der Kerl Geschmack zu haben. Zwischen den Aktenbergen auf seinem Schreibtisch stand ein kleines Orangenbäumchen – was von seinem guten Draht zu einem der Hydroponikgärten sprach –, ein dreiarmiger Kerzenleuchter mit echten Kerzen – die er aber niemals anzündete, dazu waren sie zu rar. Unter der altmodischen Schreibtischlampe stand ein Foto des Matterhorns in den Alpen. Oder wie das Matterhorn wohl mal ausgesehen haben muss vor diesem ganzen Scheiß von Umweltkatastrophen, saurem Regen, Aschewolken, den Türmen und diesen glubschäugigen Aliens.

An den Wänden hingen ein paar Repliken von Kandinsky und Hundertwasser und gaben dem Raum schon fast so etwas wie Gemütlichkeit.

Orion saß an seinem Schreibtisch, der von der alten Lampe in matte Helligkeit getaucht war, und hatte das Kinn auf eine Hand gestützt. Seit Stunden brütete er vor sich hin. Schroeder war von kräftiger Statur, bei 190 Zentimetern Körpergröße. Er hatte strohblondes Haar und ein offenes, freundliches Gesicht. Er strahlte Vertrauen aus, was ihm bei seiner Arbeit durchaus Vorteile bescherte. Seinen etwas außergewöhnlichen Vornamen verdankte er der Sehnsucht seiner Eltern, denn Sterne oder gar Sternbilder hatte schon lange niemand mehr gesehen. Nicht seitdem die Aschewolken den Himmel verdunkelten.

Auf dem Schreibtisch lagen Portraits von vier seit Kurzem vermissten Personen: eine Klimatechnikerin, eine Wäscherin, eine Mechanikerin und ein Elektroingenieur und angehender Champion der Turmspiele.

Vier Vermisste! Das gibt es doch nicht!, dachte er. Hier passiert doch eigentlich rein gar nichts. Mal ein Streit in einer Bar wegen eines Mädchens, hier und da ein paar verschwundene Sachen oder abfällige Schmierereien gegen die Sator’ri. Eigentlich waren die Schichten des Sicherheitsdienstes von Langeweile geprägt! Und nun so was.

Es waren vor zwei Jahren schon mal ein paar Leute verschwunden, hatte er von seinen Kollegen gehört, als er vor sieben Monaten seinen Job angetreten hatte. Man dachte, die wären nach draußen gegangen, weil sie die Enge des Turmes nicht vertragen hätten. Angeblich soll es ja wirklich Leute geben, die in den Ruinen von Düsseldorf lebten. Aber wer ist schon so verrückt, freiwillig sich dieser Umwelt auszusetzen, wenn er hier im Turm sicher und versorgt sein kann.

Nur Irre!

Er würde jedenfalls mit seinem Hintern hier drinnen bleiben, auch wenn er gern mal im Freien spazieren gegangen wäre. Über eine Wiese oder so, oder durch einen Wald – wenn es so was überhaupt noch gab.

Orion Schroeder fühlte sich überfordert. Verdammter Mist, – jetzt musste er der Sache auf den Grund gehen. Das verlangten sein Job und vor allem sein Chef Obercriminal Commisär Friedrich Wolf.

Nun ja, dann mal ran an die Arbeit, dachte er und griff zum Kommunikator.

„Fritsche, komm mal in mein Büro!“, zitierte er seinen Assistenten zu sich.

Mit ihm arbeitete er seit ein paar Wochen zusammen, seit Fritsche von der Criminalakademie gekommen war. Der Typ war ganz in Ordnung, wenn man mal von seinen manchmal unpassenden Sprüchen absah.

„Hallo, Chef.“

Fritsche stürmte in den Raum. Im Gegensatz zu Orion war Fritsche ein hagerer Typ, hatte dunkle kurze Haare und ebenfalls ein freundliches Gesicht mit einem kleinen Bärtchen unter der Nase. Komischerweise trug er eine dunkel umrandete Brille, obwohl er normal sehen konnte. Dazu stellte Fritsche sich immer etwas linkisch an, war aber ein heller Geist mit einer schnellen Auffassungsgabe.

„Sag nicht immer Chef zu mir, du Knaller! Setz dich, es gibt Arbeit für uns.“

Fritsche sah Orion mit großen Augen an.

„Ist wieder ein Handtuch im Schwimmbad auf mysteriöse Weise verschwunden oder planen die Sator’ri eine Invasion unseres Turmes?“

„Ach was! Du und deine blöden Sprüche! Es ist was Ernstes – vier Leute sind auf seltsame Weise verschwunden!“

Fritsche blieb der Mund offenstehen.

„Nicht wahr, oder?“

„Doch, leider, und der Wolf hat uns den Fall übertragen.“

„Ach ne! Das bedeutet wohl, dass die ruhige Zeit erstmal vorbei ist und wir richtig ermitteln müssen?“

„Fritsche, du hast es erfasst! Komm, lass uns mal die vier Fälle durchgehen, vielleicht stoßen wir schon dabei auf irgendwas!“

Orion Schroeder nahm sich die erste Akte und schlug sie auf.

„Allysia Lehmann – Klimatechnikerin im Turm, arbeitet in Schicht B, 23 Jahre alt, unverheiratet und wohl auch ungebunden. Hat 2307 ihre gesamte Familie an die Phobie verloren. Ihr Verschwinden ist erst aufgefallen, als sie nach den Freischichten nicht zu Arbeit erschien. Man fand ihren Scanner in einem Rohrschacht, den sie zwei Tage zuvor zu überprüfen hatte.“

Orion schlug die Akte zu, schob sie zur Seite und griff sich die nächste.

„So, die zweite im Bunde ist Martha Blumenzweig, arbeitet in der Turmwäscherei, ist Single, 24 Jahre alt, sie verschwand während ihrer Schicht. Die Kollegen haben sie wohl noch arbeiten sehen, aber am Schichtende war sie weg und keiner kann sich erinnern, wann er sie zuletzt gesehen hat.“

Auch diese Akte legte Orion zur Seite, bevor er die nächste aufschlug.

„Außer dass es zwei junge Frauen sind, fällt mir bis jetzt nichts auf, Chef.“

„Fritsche, wir sind auch noch nicht durch! Erstmal alle Nüsse knacken und dann schauen wir mal, was sich unter den Schalen verbirgt. Mann, was haben die dir denn beigebracht?“

Schroeder streckte sich und beugte sich über die Akte.

„Also, die nächste Verschwundene ist Melany Mandel, eine 23-jährige Mechanikerin, die wohl auch Single ist.“

Orion zwinkerte Fritsche zu.

„Auch sie erschien nicht zur Arbeit. Sie hatte am Abend ihren Werkzeugkasten nicht abgegeben, den fand man bei den Generatoren, wo sie tags zuvor eine Reparatur durchführen sollte. Was sie wohl auch gemacht hatte, denn alle Maschinen liefen wie am Schnürchen.“

Schroeder griff sich die letzte Akte.

„Der letzte des verschollenen Quartetts ist Sören Maibach, ein 26-jähri­ger lediger Elektroingenieur und Sportler. Er war wohl trainieren, als er verschwand, das war zumindest den Daten seiner ID-Marke zu entnehmen. Er loggte sich abends im Trainingscenter ein aber nicht wieder aus. Von ihm fand man nichts, abgesehen von etwas Erbrochenem in der Dusche. Falls dies von ihm war, das wird der Gentest zeigen, der morgen vorliegen soll.“

Orion warf die letzte Akte zu den anderen und stand auf. Er ging im Zimmer hin und her.

„Drei junge ledige Frauen, ein junger lediger Mann und ein Häufchen Kotze – das ist doch mal was.“

Anfangen kann man damit rein gar nichts! Morgen werden wir uns mal die vier genauer unter die Lupe nehmen. Kannten sie sich irgendwoher, hatten sie gemeinsame Interessen, Freunde, Bekannte. Waren sie etwa Mitglieder im selben Club oder Verein?

„Fritsche, du wirst dich morgen mal um die Vereinssache kümmern und ich sehe mir ihre Arbeitsstellen und die Dusche an, wo sie verschwunden sind.“

Orion nahm sich die Akten vom Schreibtisch und schloss sie in den Aktenschrank ein. „Komm, Fritsche, lass uns noch irgendwo was trinken! Kennst du eine nette Kneipe?“

„Wir könnten in den ‚Stern von Sator’ gehen, soll ganz gut sein.“

„Na, dann los!“

Als sie die Tür öffneten, warf Schroeder noch mal einen Blick auf den Aktenschrank.

Was ist hier bloß los?, dachte er bei sich. Dann folgte er Fritsche, um in Ruhe was zu trinken und vielleicht etwas über diesen Fall nachzudenken.

Zwischenspiel

Dunkelheit fraß sich in ihren Geist. Gedanken flossen träge durch ihren Kopf wie flüssiger Teer. Nebel schwebte durch ihr Hirn – sie konnte sich noch nicht mal an ihren Namen erinnern. Gab es einen Namen für sie oder war sie namenlos wie die Dunkelheit um sie herum?

Und dann dieser unsägliche Schmerz, in dem Ding, das an ihrem Kopf hing. Von überall kam der Schmerz zu ihr. Sie konnte kaum atmen vor Schmerz.

Körper, dachte sie, das nennt man Körper!

Also hatte sie einen Körper, aber sie konnte ihn nicht bewegen. Er schien fixiert, sodass sie keinen Muskel rühren konnte. Wenn doch nur nicht dieser Schmerz wäre, tief in ihr drin, als hätte man etwas in sie reingezwängt, das sie von innen peinigte.

Könnte ich doch wenigstens was sehen!

Aber es herrschte Dunkelheit, tiefste Finsternis um sie herum.

Da blitzte es in ihrem Geist hell auf – ein richtiger Gedanke!

Allysia, ich bin Allysia! Jetzt wusste sie wieder ihren Namen. Das ist doch schon mal ein Anfang.

Langsam erinnerte sie sich: Sie war bei der Arbeit, war im Rohschacht unterwegs gewesen, wie immer. Dann war diese Hitze gekommen und die Dunkelheit über sie hereingebrochen.

Wie zum Teufel bin ich hierhergekommen und wo bin ich, verdammt noch mal?

Langsam bekam sie wieder ein Gefühl für ihren Körper – sie hing bäuchlings in etwas drin. Ihre Beine waren gespreizt und angewinkelt. Die Arme lagen neben ihrem Körper auf etwas Kaltem und waren festgeschnallt. Und überall steckten Dinge in ihr drin, in ihrem Unterleib, im Mund, in den Händen und im Kopf.

Was passiert hier mit mir?

Es war still, da wo sie war. Oder konnte sie doch was hören? Wenn sie sich konzentrierte, vernahm sie ein ganz leises Summen.

Eine Maschine?

Da drang auf einmal eine Stimme aus dieser kalten Stille in ihren Kopf, deren Sinn sie nicht verstand. Es war ein Wispern, ohne Worte – etwas, das sie noch nie vernommen hatte.

Plötzlich durchfuhr sie ein rasender Schmerz, flüssiges Feuer strömte in ihre linke Hand und fraß sich durch ihren ganzen Körper. Sie merkte, wie der Nebel wieder zu wallen begann und sich über ihre Gedanken legte. Der Teer fing an, erneut durch ihr Gehirn zu fließen und verklebte ihre Gedanken.

Allysia, war das letzte, was träge durch ihren Kopf schwebte, dann kam die Dunkelheit zurück.